Migration  
  Paulo C. Chagas Migration, Elektronische Musik (1995-96)
24’20’’
Kompositionsauftrag des WDR
Realisation: Paulo C. Chagas, Markus Haßler, Volker Müller
Uraufführung: Köln 26.06.1998
Paulo C. Chagas, geb. 1953 in Salvador (Bahia), Brasilien; studierte Komposition an der Universität von São Paulo, Brasilien, am Conservatoire Royal de Musique de Liège, Belgien, und an der Hochschule für Musik Köln. Promotion in Musikwissenschaft an der Universität Liège. Lebt seit 1982 in Köln; von 1990 bis 1999 Klangregisseur im Studio für Elektronische Musik des WDR Köln.
Chagas hat eine Professur für Komposition an der University of California Riverside inne.
   
 

Migration ist ein Begriff, der heutzutage unser soziales Leben und philosophisches Denken entscheidend prägt und es zugleich verändert. In der Komposition wird die Idee von Migration in erster Linie durch die Verwandlung der Klanggestalt ausgedrückt. Grundlage des Stückes ist die Erzählung des argentinischen Schriftstellers Jorge Luis Borges Die Bibliothek von Babel (1941). Der Text wurde in vier Sprachen - Deutsch, Spanisch, Englisch und Französisch – mit jeweils einer weiblichen und einer männlichen Stimme aufgenommen. Daraus wurden Sätze und Worte ausgewählt, die sich als roter Faden durch das gesamte Stück ziehen. Die Textaufnahmen wurden durch digitale Prozesse von Analyse und Synthese modifiziert. Das übrige Klangmaterial stammt aus Klavieraufnahmen. Es sind keine einzelnen Klänge, sondern musikalische Strukturen, die mit Computeralgorithmen komponiert wurden, und zusätzlich Klänge, die innerhalb des Klaviers produziert wurden. Zwischen diesen beiden Polen – den Sprach- und Klavierklängen – entwickeln sich Prozesse von Klangmigrationen auf unterschiedlichen Ebenen. Es entstehen neue Klangobjekte; man hat den Eindruck, dass es sich um Klangmutationen oder Klangmigrationen handelt.
Der Klangraum spielt eine entscheidende Rolle in der Komposition. „Migration“ bezieht die im Studio in der Annostraße besondere Raumsituation mit dem Kranz aus 12 Lautsprechern zum ersten mal bewusst als Parameter in die Komposition ein: Somit ist mit dieser ersten 12kanaligen Komposition ein vorläufiger kompositionsgeschichtlicher Höhepunkt in der Geschichte des Studios für Elektronische Musik des WDR erreicht. Migration ist die einzige rein elektronische Komposition, die in den 90er Jahren produziert wurde.

   
 

   
 
Migration